Jugendstil in und aus München

Fritz Erler, Rübezahl auf Reisen, 1897, Öl auf Leinwand, 150 × 450 cm | © Münchner Stadtmuseum

Ein Exportschlager, der die Welt eroberte:

Jugendstil in und aus München

Als die Isar-Metropole noch eine Kunst-Hochburg war...

Die Kunsthalle München zeigt mit der erstaunlich bunten und lebendigen Ausstellung „Jugendstil. Made in Munich“ (bis 23. März 2025), dass der Jugendstil, benannt nach der programmatischen Zeitschrift Jugend (erschienen ab 1896), keine einheitliche künstlerische Bewegung ist. Vielmehr wird herausgearbeitet, dass es sich um eine vielstimmige künstlerische Auseinandersetzung handelt – die vom Manschettenknopf bis zur Hausfassade oder der Architektur ganzer Gebäudekomplexe mit ihrem ganz eigenen Gestaltungswillen in allen Lebensbereichen wirkte und sich bis heute im Münchner Stadtbild findet. 

 

Parallelen zur Gegenwart 

 Eine Zeit großer wissenschaftlicher und technischer Umbrüche. Geprägt von der Suche nach einer gerechteren und nachhaltigeren Lebensführung und mit teils rasantem gesellschaftlichem und politischem Wandel... Wer bei diesen Sätzen an die Gegenwart mit KI, Klimawandel, Fridays for Future, Wokeness, Veganismus oder dem jüngsten Erstarken der Rechten denkt, irrt. Denn beschrieben wird hier das Klima um 1900 in München. Die Parallelen zu heute, was die öffentliche Stimmung angeht, sind verblüffend. Damals wollten bildende Künstler und Kunsthandwerker aus dieser emotionalen Gemengelage heraus nicht weniger als eine neue Kunstrichtung erfinden, die ganz bewusst alle Bereiche des Lebens bis ins kleinste Detail durchdringen sollte. Diese „neue Kunst“ (die französische Bezeichnung für Jugendstil beschreibt es mit „Art Nouveau“ sehr treffend) suchte Antworten auf die drängendsten Fragestellungen ihrer Zeit. 

 

Die Ausstellung versucht, den vielfältigen Motiven und Inspirationsquellen von Jugendstil-Künstlern nachzuspüren und deckt en passant auf, wie modern und heutig viele der Überlegungen damals schon waren. Aspekte wie die Gleichstellung der Geschlechter, ein gesundes Leben im Einklang mit der Natur, die Demokratisierung der Kunst usw. machen die Ausstellung auch im Hinblick auf heute und auf die drängenden Fragen unserer Zeit so sehenswert.

Wiege der Moderne 

Der Jugendstil wurde unter dem Eindruck der Industrialisierung und Urbanisierung bewusst als eine Art Gegenbewegung begründet, die sich vermehrt mit der Natur, aber auch mit Sagen, Märchen und Mythen beschäftigte. Der Tier- und Pflanzenwelt als Inspirationsquelle sind zwei eigene Ausstellungsräume gewidmet. 

Erstmals wird beispielsweise nach vielen Jahren wieder der „Wandbehang mit Alpenveilchen“ öffentlich gezeigt, der um 1895 entstanden ist und wegen seiner sehr dynamischen, ja revolutionären Linienführung schnell als „Peitschenhieb“ bekannt wurde. Dieses Werk von Hermann Obrist, meisterhaft ausgeführt von Berthe Ruchet, gilt als Initialwerk des Münchner Jugendstils und ebnet den Weg hin zu künstlerischer Abstraktion. Denn das Alpenveilchen-Ornament macht sich quasi selbstständig und steht in seiner neuen Form nur für sich. Ursprünglich wurde diese neue Dramatik noch durch die Farbwahl verstärkt: golden auf kontrastierendem, hellblauem Stoff, der mittlerweile leider verblichen ist. 

 

Dem Betrachter wird schnell klar, dass Jugendstil-KünstlerInnen allgemein die Natur nicht nur abbilden, sondern zunehmend stilisieren, reduzieren und abstrahieren. Wenn man so will, wird hier der Weg in die Moderne geebnet und das Feld für den Blauen Reiter, die weltberühmte Künstlergruppe um Franz Marc und Wassily Kandinsky, bestellt. 

 

Der Gang durch die Ausstellung mit mehr als 400 Exponaten ist kurzweilig und unterhaltsam und bietet neben Beispielen aus der Kunst auch Einblicke in das (Alltags-)Leben der Zeit um 1900. Sehenswert!


www.kunsthalle-muc.de

Text: Christina Hitzfeld